Auvillar,
26. August 1942:
Eine Abschiebung beim Morgengrauen
Aufgrund des Waffenstillstandsabkommens
vom 22. Juni 1940 zwischen Vichy-Frankreich und dem Deutschen
Reich hatte sich die französische Regierung im Artikel
19 verpflichtet, alle in Frankreich sowie in den französischen
Besitzungen befindlichen Deutschen, die von der deutschen
Reichsregierung namhaft gemacht werden, auf Verlangen auszuliefern.
- Frankreich galt in Europa als das humanste Land für
Flüchtlinge. Viele der emigrierten deutschen Juden
hatten die Illusion, dass sie in der "freien Zone"
sicher seien und unterzogen sich der von der Vichy-Regierung
durchgeführten Zählung der jüdischen Bevölkerung.
Damit wurden ihre Namen und Adressen auch den deutschen
Behörden bekannt, die dann deren Auslieferung verlangten.
Am 24. August 1942 bekommt die Gendarmeriebrigade
von Auvillar den Befehl (gemäß "note 83/4
section"), die vier in Auvillar lebenden jüdischen
Flüchtlingsfamilien Kurzweil, Roth, Weinnelberg und
Wineviez zu verhaften und im Zusammenhang mit einer am 26.
August stattfindenden Razzia in das Internierungslager Septfonds
"abzuschieben".
Beim Morgengrauen des 26. August werden
die betroffenen 15 (?) Personen auf den Place de l'Horloge
gebracht und dann auf einem Lastwagen nach Septfonds befördert.
Bei dieser Razzia werden im Departement Tarn et Garonne
173 Menschen deportiert.
Die Familie Kurzweil, Gisela (52 Jahre),
Bruno (51 Jahre) und Adele (17 Jahre), wird in ihrem Domizil,
3 Place de l'Horloge, verhaftet. Das Haus wird anschließend
von Firmin Combes, Vicebürgermeister von Auvillar,
versiegelt.
In der Nacht vom 1. auf 2. September werden
die Opfer aus dem Lager Septfonds zum Bahnhof Caussade und
von dort in einem Gefangenentransport nach Drancy gebracht.
Am 9. September wird die Familie Kurzweil zusammen mit 203
anderen Opfern aus dem Departement Tarn et Garonne im Transport
Nr. 30 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Die versiegelte Wohnung der Familie Kurzweil,
3 Place de l'Horloge, wird am 26. Oktober 1942 im Beisein
der Besitzerin, Mme. Guichard, und eines Vetreters der Juden,
Mr. Kaufmann, von der Gendarmerie geöffnet. Die Koffer
und andere Gegenstände der Familie Kurzweil werden
in einem Abstellraum des Rathauses von Auvillar eingeschlossen.
Anlässlich des Verkaufs des alten Rathauses
in Auvillar werden die Koffer 1990 wieder entdeckt und in
Anwesenheit von Roger Téchiné, Vertreter der
Mairie d'Auvillar, von Elie Arditti und M. Atlan ab dem
5. Juni 1990 geöffnet. Sie werden anschließend
in wochenlanger Arbeit von Pascal Caïla untersucht
und archiviert.